Freitag, 28. Februar 2014

Reisebericht aus anderen Augen

Reisebericht Ghana aus der Sicht meiner Mutter:

Am 17.1. frühmorgens geht's los, erstmal nach Istanbul, dort umsteigen ins Flugzeug nach Accra, wo ich um 20:20 ankomme. Dort erstmal die Einreisemodalitäten: sämtliche Fingerabdrücke und das Auge abscannen, man kommt sich vor wie ein Schwerverbrecher. Dann geht's mit meinem Gepäckwagen raus in die tropische Hitze, dort warten die schwarze Nacht und eine Riesenmenge schwarze Menschen... von Leonie erstmal keine Spur. Einige Taxifahrer versuchen gleich, mich als Fahrgast anzuwerben, einer von ihnen ruft freundlicherweise Leonie auf dem Handy an, so dass sie kurz danach auf mich zugesprungen kommt. Ich freue mich, dass sie so gesund und glücklich aussieht, und staune, wie selbstbewusst sie uns ein Taxi organsiert und den Preis auhandelt. Dann geht's ins Hotel, das direkt am Meer liegt, so dass die ganze Nacht vom Tosen der Wellen untermalt ist.
Das Hotel ist sehr originell, hat ein gewisses Aussteigerflair, wird wohl auch gern von Hippies besucht. Wobei das Zimmer schon äußerst einfach ist, besonders das Bad, aber mit deutschen Ansprüchen darf man ghanaische Hotels eh nicht messen. Es ist in den Hang über dem Meer reingebaut und hat einen eigenen Strandzugang. Und eine tolle Aussichtsterrasse, wo wir ein leckeres Frühstück mit frischem Ananassaft zu uns nehmen.
Anschließend fahren wir mit dem Taxi zum Platz, wo die Trotros in Richtung Nkwanta starten. Bei der Ankunft dort heißt es, es solle bald ein Bus nach Nkwanta kommen. Also setzen wir uns im Schatten auf eine Treppe und warten. Und warten. Immerhin gibts dauernd was zu sehen - fliegende Händler (meistens Frauen) die ihre Waren auf dem Kopf tragen, wirklich verrückt, was sie alles gleichzeitig tragen, unglaubliche Lasten, und ihre Kinder noch dazu auf dem Rücken!
Nach 4 Stunden endlich ist der Bus da und nach langem einsteigen und packen können wir abfahren. Der Bus ist gerammelt voll, bis auf den letzten Platz, dazu stapeln sich Kisten und sonstiges Zeug im Mittelgang, man kommt nur noch mit waghalsigem Geturne durch. Die Fahrt dauert ewig, mir tut irgendwann der Hintern weh, man weiß ja auch dauernd nicht, wo man ist und wie lang es noch dauert. Um 11 abends kommen wir dann in Nkwanta an, zur Weiterfahrt zu Leonies Haus steht nur ein einziges Motorrad zur Vefügung. Da kommt vorne auf den Tank die Reisetasche mit den Mitbringseln für Leonie und Magda, hinter dem Fahrer sitzt Leonie mit unseren beiden kleinen Rucksäcken, und dahinter ich mit dem dicken Tramperrucksack. Immerhin finde ich neben Leonies Füßen sogar noch einen Zentimeter Platz für meine Füße... aber ich bin schon froh, dass wir nach nur 4km ankommen und gleich ins Bett fallen können.

Am nächsten Tag kann ich dann Haus und nähere Umgebung inspizieren. Man betritt die beiden Appartments über eine geräumige Veranda und kommt dann in ein Durchgangszimmer (Küche bzw Wohnzimmer) und von da aus in Leonies bzw. Magdas Zimmer. Alle Zimmer sind quadratisch und ca. 12 qm groß. Der Sauberkeits- und Ordnungslevel entspricht jetzt nicht gerade meinen hausfraulichen Gepflogenheiten, aber Hauptsache, den beiden Mädels taugts so... Dafür fand ich beachtlich, mit wieviel Kreativität und Improvisationstalent die Beiden ihr Heim wohnlich gemacht haben. Die beiden Zimmer sind richtig gemütlich durch die Wand- und Bodengestaltung. Und den Clou fand ich die umgitterte Veranda, wo mithilfe der Mauersteine vom Hof und etwas Holz und Matratze eine richtig gemütliche Sitzecke entstanden ist. Genauso der praktische Spültisch (auch aus gestapelten Mauersteinen) auf Leonies Veranda, wo man also im Freien abspülen und überschüssiges Spülwasser bequem über Bord kippen kann.
Mir persönlich fehlen dort schon Klo und fließend Wasser. Duschen mit Eimer fand ich kein Problem. Aber die Entscheidung zwischen stinkendem Klo-Eimer auf de Veranda oder dreckigem Klohaus auf dem Hof fand ich schwierig. Genauso, dass man sich nicht schnell mal die Hände waschen kann. Wenn man weiß, dass jeder Liter Wasser, egal ob "Pipewater" oder Trinkwasser, von den Nachbarskindern angeschleppt wird, dann hat man schlechtes Gewissen, sobald man paar Tropfen verbraucht...
Die Umgebung dort ist leicht hügelig, in der weiteren Entfernung sind beiderseits Berge zu sehen, sofern sie nicht im Staub verschwinden. Die Besiedelung ist recht locker, mal stehen paar Häuser dichter zusammen, dann sind wieder 100 m Abstand dazwischen. Direkt gegenüber von dem (ja nur halb bewohnten) Haus von Magda/Leonie ist ein genauso gebautes weiteres Haus, in dem nur eine Familie mit 3-jährigem Kind wohnt. In ca 100 m Abstand wohnt die "Moja-Familie", zu denen ein ganz enger freundschaftlicher Kontakt besteht. Sie haben 8 Kinder zwischen 4 und 19, die alle englisch sprechen, die Eltern allerdings nicht. Sie wohnen wie eigentlich alle Familien dort extrem einfach, ein Raum zum schlafen, auf dem Hof gibt es eine einfache Hütte zum kochen (die besteht nur aus einer Feuerstelle auf dem Boden und paar rumliegenden Töpfen). Die Kinder sind total anhänglich und sehr lieb mit strahlenden Augen.
Wir sind nachmittags bei ihnen zum Fufu-Essen eingeladen, daher fahren Leonie und ich (wieder gemeinsam auf einem Motorrad) in den Ort, um dafür einzukaufen. Der Ort ist auch total einfach, überall nur einfache kleine Hütten, dazwischen rote Sandstraßen. Eingekauft wird an Marktständen oder in solchen Hütten, kaum so groß wie eine Garage.
Inzwischen ist auch Magda von ihrem Wochenend-Trip zurück, so dass ich sie auch mal kennenlernen kann. Immer wieder lustig, dass sie auch aus Regensburg kommt und die Enkeltochter meines ehemaligen Mathelehrers ist!
Abends gehts dann also zum Fufu-stampfen. Dazu werden Yam-Wurzeln weich gekocht, das ist das Hauptgemüse in Ghana und kann so vielseitig wie Kartoffeln verwendet werden, schmeckt auch ähnlich. Diese werden dann in einer großen Holzschüssel mit einem "Riesenmörser" zerstampft. Am Ende schmeckt das dann ähnlich wie Kartoffelknödel, wenn man Pech hat etwas schleimig. Dazu hat der 14-Jährige für uns Stew gekocht, ähnlich wie Gulasch, mit Hühnchen und Tomaten, ziemlich scharf aber sehr lecker gewürzt.

Am nächsten Vormittag mache ich mit Leonie einen kurzen Spaziergang zum Fluss, wo die Frauen (und auch Magda/Leonie) zum Wäsche waschen hingehen. Die Vegetation dort ist ja insgesamt wegen der Trockenzeit ziemlich verdorrt, teilweise geschwärzt durch Buschbrände. Aber der Fluss liegt in einer kleinen Senke, wo plötzlich alles knackig grün und dicht bewachsen ist, eine richtig idyllische Oase.
Später fahren wir dann, wie immer per Motorrad, zur Schule. Sie ist ja ganz neu, sieht daher topmodern und schick aus. Leider müssen Magda und Leonie an dem Tag nicht unerrichten, so dass ich nicht assistieren kann. Aber die Lehrer machen einen sympatischen Eindruck, auch Projektleiterin Gill lerne ich kurz kennen. Und die Schulmädchen strahlen mich alle an und sehen nett aus.

Am folgenden Tag machen wir uns auf den Weg zu unserem neuen Etappenziel: die Wasserfälle in der Nähe von Hohoe, auf halbem Weg zurück nach Accra. Da die Hinfahrt ja im Dunkeln stattgefand, finde ich es spannend, mir nun Dörfer und Vegetation anzusehen. Die Dörfer sind alle wirklich sehr ärmlich mit kleinen Hütten, mal aus Lehm, mal aus Betonsteinen, manchmal sogar verputzt. Manche mit Blech gedeckt, andere mit Stroh. Lustig finde ich, dass wohl in ganz Ghana nahezu alle Familien Ziegen und Hühner haben, die sich alle frei bewegen dürfen. Da ja das Leben hauptsächlich draußen auf dem Hof stattfindet, laufen also alle durcheinander: Erwachsene, Kinder und Tiere. Und deren Geräusche begleiten einen auch durch den Tag, von frühester Dämmerung bis in die Dunkelheit hört man Gockelgeschrei, Gegackere, Ziegengemecker, Kindergeschrei, Musik.... Also Ruhe hat man wohl in ganz Ghana allerhöchstens in der Zeit zwischen 23 und 5 Uhr.
Als wir mit unserem Trotro gerade Hohoe erreichen, gibt es einen mächtigen Knall: einer der Reifen ist geplatzt. Wir sind dankbar, dass das nicht noch unterwegs passiert ist. So können wir uns gleich ein Taxi nehmen und zu unserem Hotel fahren. Es ist für ghanaische Verhältnisse super ausgestattet und Leonie wähnt sich wie im 7. Himmel. Wir lassen es uns daher auch gut gehen, chillen im exotischen Garten, essen schön und spielen Karten.

Statt der Wanderung zum Wasserfall starte ich dann leider frühmorgens mit diversen Wanderungen zur Toilette. Durchfall, Übelkeit und Bauchgrimmen plagen mich, zum Glück kehrt aber schon nachmittags wieder Ruhe ein, so dass ich mich mit einer Nudelsuppe wieder flott machen kann.
So können wir also am nächsten Morgen zum Wasserfall starten. Beim VisitorCenter zahlen wir eine kleine Gebühr und werden von einem Guide begleitet. Bald sind wir im dichten Regenwald, gigantische Baumriesen überragen den dichten Busch, unterschiedlichste Gewächse wuchern durcheinander und alles ist knackig, saftig und grün. Wir wandern eine Dreiviertelstunde am Bach aufwärts, überqueren ihn mehrfach über Brücken, das morgendliche Gegenlicht der Sonne lässt alles leuchten und glitzern, wirklich wunderschön! Dann kommen wir am Wasserfall an, dem höchsten von Westafrika, beeindruckend! Oben am Hang flattern Hunderte Fledermäuse durcheinander und hängen sich kopfüber an die Felsen.
Dann laufen wir zurück und gönnen uns eine schönes Siesta, bevor wir nachmittags mit einem Trotro zu einem weiteren Wasserfall fahren. Der Weg durch den Dschungel ist sogar noch schöner, noch verwilderter. Zuerst gehts durch vertrocknete wild wachsende Maispflanzen und Bananenstauden, vorbei an dicht behängten Papayabäumen und sogar Kakaubäume mit unterschiedlich großen Kakaufrüchten (ja, sie wachsen tatsächlich direkt am Stamm). Dann tauchen wir wieder ab in den Regenwald, der hier noch dichter und wilder ist, wieder entlang am Bach. Der Wasserfall ist nicht ganz so hoch, aber irgendwie geheimnisvoller. Leonie taucht sogar kurz ins Wasser ab. Als wir zurückfahren wollen, gibt es kein Trotro mehr, die einzige Möglichkeit ist, mit Motorrädern zurückzufahren. Ich bin nicht begeistert, bei den Straßenverhältnissen und ohne jegliche Schutzbekleidung ist mir das gar nicht geheuer. Aber wir müssen ja irgendwie zurück...

Am nächsten Morgen starten wir schon um 7 ohne Frühstück mit dem Taxi nach Hohoe. Der Taxifahrer fährt recht rasant mit dröhnender Reggaemusik. Als ihm ein größerer Vogel ins Auto flattert, wendet er kurz und wirft den Vogel in den Kofferraum - kann man ja noch essen! In Hohoe dann wieder 2 Stunden Warterei, bis das Trotro Richtung Accra voll ist und startet. Leonie organisiert uns etwas Proviant von den fliegenden Händlern, mundgerechte Mango, Kekse und undefinierbare Teigknödel. Die Grundregel "Peel it, cook it or forget it" kann ich vergessen, dann würde ich glatt verhungern, aber ganz geheuer ist es mir nicht.
Auf dem Platz geht es wie immer noch her, immer wieder staune ich, wieviel die Frauen hier schleppen, auf dem Rücken ihr Kind und dazu auf dem Kopf ein Gewicht von oft locker 20 kg oder mehr. Ich bewundere auch, wie die Kinder festgebunden werden: selbst kleine Kinder werden von der Mutter in leicht vornübergeneigter Haltung auf den Rücken geschoben, krallen sich dort selber fest, während die Mutter das Tuch unter ihren Armen durch und über den Rücken des Kindes bindet und vorne an der Brust ruckzuck ineinander schiebt (keine Ahnung wie das hält??), dann wird noch der untere Rand des Tuchs um ihren Bauch und unter den Po des Kindes gebunden, fertig ist das Ganze. Also nicht so eine kompllizierte Technik wie bei uns über die Schultern, sondern nur einmal außenrum gebunden. Selbst 8-Jährige tragen so schon ihre kleinen Geschwister. Nachdem ich selber 3 Babys großgezogen habe mit der eisernen Grundregel, dass der Kopf jaaa niiie in die Sonne darf, hab ich arge Mühe damit, dass die Kinder hier nie eine Kopfbedeckung aufhaben und teilweise der prallen Mittagssonne ausgesetzt sind, mit fetten Schweißperlen auf dem Kopf - sie werden ja immerhin zusätzlich vom Körper der Mutter und dem Tuch gewärmt. Aber scheint ja zu funktionieren... Wobei ich fast nie Kinder unter 6 Monaten gesehen habe, die kleineren bleiben wohl noch daheim..?
Wir kommen also inzwischen nach einer Trotrofahrt mit durchgesessenen Sitzen und permanenter Musikbeschallung in Accra an, wechseln dort gleich in ein Taxi, um zum nächsten Trotro-Abfahrtsort zu gelangen. Accra ist in meinen Augen ein grauenhafter Moloch, eine Konglomeration von Hässlichkeiten, völlig übervölkert, stinkend, lärmend, scheußliche Gebäude, die Straßen übervoll mit stinkenden Autos und Bussen (ASU würden die alle nicht kriegen...)... Und wir quälen uns also eine Stunde bei Mittagshitze duch den Stau, immer hinter einem die Luft verpestenden Bus hinterher. Als wir am Bussammelplatz ankommen, stürzen sich gleich wieder Bus- und Trotrofahrer auf uns, um uns für ihr Fahrzeug zu gewinnen, alle schreien ihren Zielort aus und versuchen, uns das Gepäck abzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt verliere ich langsam die Fassung (wir sind ja nun schon 7 Stunden ohne Pause unterwegs), und Leonie bugsiert mich in irgendeinen Fernbus rein. Dieser hat immerhin Air Condition, dafür allerdings auch eine Soundanlage, die dauernd voll aufgedreht ist. Dier erste Stunde wird sie genutzt von einem Prediger, der aber nicht "predigt" sondern schreit, klingt nach einer Mischung aus Schimpftirade und Strafpredigt, ab und zu unterbrochen von einem "Halleluja!" oder "Praise the Lord!". Als er endlich fertig ist, wird ein ghanaischer Spielfilm eingelegt, grenzenlos blöde, und auch so zerrend laut, dass ich mir schließlich die Ohren zuhalte. Die Aussicht nach draußen ist auch nicht aufbauend, entweder recht langweilige flache Landschaft mit gleichförmigem Buschbewuchs, ab und zu mal eine Palme oder Bananenpflanze. Oder endlose slumartige Hütten entlang der Straße.
Um 8 abends kommen wir schließlich in Takoredi (im Westen von Accra) an. Als wir aussteigen, trifft mich fast der Schlag: draußen ist es grenzenlos heiß und schwül, ich habe das Gefühl, wir sind unter eine Dunstglocke gesperrt. Wieder rein in ein Taxi, und um 21 Uhr sind wir endlich in unserem stilvoll eingerichteten Hotelzimmer am Meer, das zum Glück auch Air Condition hat. Leonie und ich sind so fertig und sie so genervt von meiner schlechten Laune, dass wir uns noch mächtig in die Wolle kriegen und verkracht ins Bett fallen.

Die Nacht dauert für mich mal wieder nicht lang, ich starte wieder mit meinen Wanderungen zum Klo, wieder mit Durchfall und Übelkeit. Diesmal ist auch noch Fieber dabei, und ich komme den ganzen Tag nicht mehr aus dem Bett und sehne mich nach Hause. Immerhin gibt es mittags ein mächtiges Gewitter, eineinhalb Stunden donnert es und gießt wie aus Kübeln. Und wie erhofft ist es anschließend deutlich angenehmer draußen.
Allerdings ist direkt neben unserem gehobenen Hotel eine Strandbar, wo es bis spätabends und ab frühmorgens laute ghanaische Musik gibt. Seitlich vom Hotel sind direkt Slums, von dort werden wir auch den ganzen Tag mit Ziegengemecker, Hühnergegacker und sonstigen "Wohngeräuschen" beschallt. Ruhig ist es in den Tagen am Meer jedenfalls nicht ein einziges Mal. Wobei ich es gleichzeitig faszinierend finde, das Leben der Menschen zwischen diesen primitiven Hütten zu beobachten. Den Regenguss nutzen sie, um das Wasser in unzähligen Tonnen aufzufangen und stapelweise Wäsche zu waschen. Gekocht wird an einer Feuerstelle in der Mitte des Hofes, eine Mutter stillt sogar ihr Kind, während sie Fufu stampft. Aufgefallen ist mir, dass sie eigentlich immer gepflegt und alles andere als unglücklich aussehen, trotz dieser extrem ärmlichen Lebensweise. Auch wenn ich niemals mit ihnen tauschen möchte, so hinterfrage ich doch unsere westliche Lebensform, wo man früh zum Einzelkämpfer wird, mit viel Konkurrenzkampf, und wo Glück an der Menge der gehorteten Güter gemessen wird. Der Gemeinschaftssinn kommt dabei oft zu kurz. Die Ghanaer mit ihrer freunlichen, offenen Gelassenheit kommen mir oft entspannter und zufriedener vor als wir gehetzten und gestressten Europäer.
Genauso finde ich spannend, den Umgang mit den Kindern zu beobachten. Sie werden von klein auf einfach mitgeschleppt, werden gut versorgt, aber ansonsten nicht weiter beachtet, ich habe mehrfach beobachtet, dass Kinder, die weinen oder schreien, einfach ignoriert werden. Leonie meint, auf Dauer geben sie halt auf und lernen, sich anzupassen. Es gibt auch gar kein Spielzeug, sondern die Kinder laufen im Alltag mit und werden früh mit einbezogen. Beachtlich dabei finde ich, dass sie dabei durchaus keinen unglücklichen Eindruck machen, sie haben alle ein Strahlen in den Augen und machen einen sehr wachen lebendigen Eindruck. Wenn ich da an die Kinder hier denke, denen von klein auf jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird, und die mit Frühförderung und tonnenweise Spielzeug überschüttet werden... da frage ich mich, ob hier so viele Jugendliche in der Pubertät Schwierigkeiten kriegen, weil sie nicht die Erfahrung machen, Teil einer Gemeinschaft zu sein, in der sie wichtige Aufgaben beitragen.

Die letzten 3 Tage gönnen wir uns faule Tage am Strand, hopsen in den Wellen rum, Leonie taucht durch die größten unten durch, während ich mich feige durchmogle. Morgens essen wir lecker Obstsalat mit Mango und Ananas, abends supergünstigen Lobster.
Und zwischendurch ärgen wir uns über unseren Hotelaffen, ein verwildertes zugelaufenes unerzogenes Biest, das einmal in unserem Zimmer auftaucht und aggressiv wird, als wir es verscheuchen wollen. Wir sind einigermaßen hysterisch, weil wir Angst haben, dass er mit Handy o.ä. verschwindet, aber zum Glück entscheidet er sich für eine Tüte mit Studentenfutter... Ab da trauen wir uns kaum noch durch die Tür aus Angst, dass er wieder reinkommt...
Bei einigen Straßenhändlern finden wir hübsche Mitbringsel. Die Händler dort sind viel angenehmer als die, die ich in Nordafrika kennen gelernt habe, wenn man zu verstehen gibt, dass man kein Interesse hat, lassen sie einen sofort in Ruhe. Beachtlich auch die Ehrlichkeit: einer verschwindet mit meinem Geldschein, kommt kurz darauf brav mit meinem Wechselgeld zurück. Ein anderer gibt mir, als ich kein Geld dabei habe, die Kette schon mal mit und sagt mir, er vertraut mir, dass ich ihm das Geld noch bringe.
Vor dem Sonnenuntergang gibt es täglich am Strand ein besonderes Schauspiel: ungefähr 20 Erwachsene und Kinder, natürlich alles Schwarze, bekleidet mit knallbunter Kleidung, die im warmen Abendlicht leuchtet, ziehen an einem riesigen Tau Fischernetze aus dem Wasser ans Land. Auch hier wieder schön mit anzusehen, wie selbstverständlich die Kinder mit einbezogen werden, und mit wieviel Spaß alle zusammenhelfen.

Dann, am 29.1., brechen wir unsere Zelte wieder ab und fahren mit Taxi und Trotro zurück nach Accra, was diesmal schneller und stressfreier als auf dem Hinweg klappt. Dort besorgen wir noch letzte Mitbringsel auf dem Art Market, essen lecker Abendessen auf unserer Hotelterrasse vom ersten Morgen und besteigen dann das Taxi. Zuerst bringt es Leonie zu ihrem Trotro, sie will zu Freunden fahren und dort übernachten. Als der Taxifahrer sie rauslassen will, bittet sie ihn, sie zum Trotro zu begeleiten. Ich warte so lang im Auto und werde langsam nervös, weil er so lang nicht wieder kommt. Er berichtet dann, dass eine lange Schlange am Trotro gewartet hat und er durchsetzen konnte, dass sie sich gleich reinsetzen kann. Ich bin ihm sehr dankbar, dass ich meine sommerlich kurz bekleidete Tochter in der Dämmerung sicher im Trotro sitzen weiß. Dann gehts weiter durch den Stop-and-Go-Verkehr, bis wir zum Glück rechtzeitig am Flughafen sind. Dort klappt alles wunderbar, und netterweise lädt mich noch ein US-Ghanaer zu einem Wasser ein, ich hatte schlauerweise mein restliches Ghana-Geld im Rucksack eingecheckt und hätte sonst nichts mehr trinken können...
Der nächtliche Rückflug ist wie erwartet mit wenig Schlaf verbunden, nach Umsteigepause in Istanbul komme ich saumüde und frierend in Belrin an, wo mich netterweise ein kranker Uwe abholt.

Abends kommt dann noch der "Ghana-Nachschlag": es geht los mit Schüttelfrost, dann mal wieder der übliche Durchfall, bis ich kaum noch kreuchen kann, und morgens über 40° Fieber. Uwe fährt mich trotz "eigenem" Fieber zum Tropeninstitut, wo zum Glück keine Malaria sondern eine bakterielle Darminfektion festgestellt wird, die mit Antibiotika bekämpfbar ist. Nun bin ich also nochmal 3 Tage flach gelegen, und die Bilanz 15 kranke Tage (ich habe ja schon nach der Gelbfieberimpfung lange gekränkelt) zu 10 gesunden Tagen vor Ort finde ich doch etwas dürftig. Aber ich habe viele spannende Eindrücke erhalten und viele Denkanstöße, die eigene Lebensweise in Frage zu stellen. Und auf alle Fälle war es schön, Leonie zu erleben, wie sie sich dort integriert hat und voll in der neuen Mentalität aufgeht. Es ist beruhigend für mich, mir nun vorstellen zu können, wie es ihr dort geht, und zu wissen, dass sie dort wirklich gut aufgehoeben ist und eine tolle Zeit verlebt.

Wie die Dinge wachsen

Hey ihr Lieben,
Ich weiß, dass ich euch sehr lange habe warten lassen. Nun beginnt bei euch schon der Frühling, worum ich euch ein bisschen beneide. Schließlich ist die Jahreszeit des Wachsens meine Liebste. Aber auch hier steht die Natur nicht still. Nach anhaltenden Buschbränden sprießen wie kleine Phönixe aus der Asche wundersamerweise wieder grüne Pflänzchen . Bald kommt die Mangosaison nach Nkwanta und die Regenzeit schickt kleine nieselnde Vorboten, die den Harmattan vertreiben.
Ich genieße meine Zeit hier noch immer und es sind wieder einige erzählenswerte Dinge passiert.
Schon etwas zurückliegend sind die Weihnachts- und Silvesterfeiertage, die wir mit Freunden hier oben in Nkwanta verbracht haben.
An Weihnachten haben wir gemeinsam den ganzen Tag fleißig den Abend vorbereitet, ein Schwein geschlachtet und sind dann in die Kirche gegangen. Der Gottesdienst hat drei Stunden gedauert und war nicht eine Sekunde lang langweilig. Untergebracht in einem halb fertiggestellten Gebäude haben wir mit vorwiegend jüngeren Leuten getanzt, gesungen, Bibellesungen zugehört und die Ehre erhalten "Stille Nacht" vortragen zu dürfen. Insgesamt eine wirklich berührende und schöne Veranstaltung, die in uns allen tatsächlich die bis dahin nicht wirklich vorhandene Weihnachtsstimmung geweckt hat. Um Mitternacht haben wir dann bei uns ein Festmahl genossen und anschließend saßen wir bei Kerzenschein bis um fünf Uhr unter unserer Weihnachtspalme und haben uns beschenkt und unterhalten.
Die Ghanaer selbst feiern Weihnachten ja kaum so, wie wir es kennen. Für unsere Nachbarskinder war es jedoch schon ein ganz besonderes Geschenk, einfach einen Tag lang keine Pflichten zu haben, nicht zur Schule gehen, auf der Farm arbeiten oder Wasser holen zu müssen. Und so haben wir mit ihnen gemütlich Kakao und Kekse genossen und später die selbst erlegten Steaks gegrillt. Es war wirklich schön, die Kinder einmal so befreit und entspannt zu erleben. Sie sind rumgetanzt, haben sich wegen jeder Kleinigkeit gekringelt vor Lachen, waren frech - so wie Kinder eben sein sollten.
Am 27. haben wir dann mit unseren Besuchern eine sehr lustige und halsbrecherische Fahrt auf einem Motorrad mit Anhänger unternommen und das hängende Dorf Shiare, das an einer Bergwand erbaut ist, besucht. Die Bewohner waren leider nicht sehr erfreut über uns Touristen, was ich ihnen jedoch nicht verübeln kann. Ich glaube, ich fände es auch ein wenig seltsam, wenn plötzlich ungefragt Fremde in unserem Garten stünden, um die Apfelbäume zu bestaunen...
An Silvester waren dann andere Freiwillige da, die wir teilweise noch nicht kannten, sodass die Stimmung nicht ganz so vertraut war, aber trotzdem sehr nett.
Anfang Januar ging es dann in Accra mal wieder auf Visumjagd. Ghana mag ja viele nette Seiten haben. Das Immigration Office gehört definitiv nicht dazu. Zum Glück haben wir nun (angeblich...) alles geschafft.
Zurück in Nkwanta wurden hier gerade die Exams geschrieben, sodass Magda und ich mit Kindern unterschiedlicher anderer Schulen den Kyabobo National Park besuchen konnten. Die Natur ist eigentlich echt schön, mit tollen Bergpanoramen, Wasserfällen, Schmetterlingen und exotischen Pflanzen. Leider hielten die Ghanaer nicht so viel vom gemütlichen Wandern, sodass die Tour eher einem Ausdauer-Bergehochundrunterrennen-programm glich, aber ein bisschen Sport ist ja auch mal nicht schlecht ;-)
Kurz darauf ging es dann für mich schon wieder nach Accra, um meine Mutter in Empfang zu nehmen. Ich werde ihren Besuch an dieser Stelle nicht weiter ausführen, weil ich sie gebeten habe, ihn doch aus ihrer Sicht zu beschreiben. Das heißt, ich werde den Bericht in einem Extrapost sozusagen als Gastbeitrag veröffentlichen.
Die erste Februarhälfte lag ich fast durchgehend flach und dann stand mit drei Freunden von Magda schon der nächste Besuch an. Da ich mich mit ihnen auch ganz gut verstanden habe und wir im Projekt zurzeit kaum etwas zu tun haben, bin ich spontan mit ihnen Reisen gegangen.
Leider bereitete mir mein Magen immer noch ziemlich Probleme, sodass ich am letzten Tag in Accra ins deutsche Krankenhaus gegangen bin, wo zwar nichts herausgefunden wurde, mir aber versuchsweise ein bunter Medikamentencocktail verschrieben wurde, den ich in Hoffnung auf Besserung nun fleißig snacke.
Im kommenden Monat warten jetzt schließlich schon wieder einige Highlights auf mich. Nächste Woche ein Beachfestival, dann das Zwischenseminar mit Freiwilligen einer anderen Organisation, die wir schon kennen. Und danach kommt meine Schwester für drei Wochen zu Besuch. Außerdem habe ich nun inoffiziell die Zusage, dass ich hier im Krankenhaus aushelfen darf, sodass ich auch in der Zeit hier im Projekt wieder mehr Aufgaben habe, denn unsere Schule ist langsam so gut mit Lehrern bestückt, dass unsere Hilfe immer weniger benötigt wird.
So, das war es nun erstmal mit Neuigkeiten von mir.
Zum Schluss würde ich gerne noch ein bisschen unnützes Wissen der Pflanzenkunde mit euch teilen:
1. Mangos hängen in "Schnüren" von Bäumen und sehen dabei aus wie Lampions.
2. Ananasse (Ananesen?) wachsen wie Königinnen auf ihrem Thron in der Mitte kleiner Palmen, die nur zweimal pro Jahr eine Frucht werfen.
3. Kakaofrüchte wachsen direkt an der Rinde und verbrennen schnell beim Rösten.
4. Cashewkerne hängen unten an kleinen Früchten, die angeblich auch essbar sind, jedoch pelzige Zungen verursachen, nicht mit Zucker oder Milch verzehrt werden dürfen und stinken. (Ich habe sie nicht gegessen, bekomme aber seit einiger Zeit leider ständig volle Tüten geschenkt, seit ich meine Freude über einen Cashewbaum geäußert habe.)

Allerliebste Grüße,
Eure Léonie