Mittwoch, 13. November 2013

In Bewegung

Ma Ha ;-)

Hier mal wieder ein kleines Update aus Ghana. Dieses Mal wird es wohl eher ein kunterbuntes Kaleidoskop der Erlebnisse der letzten überbrodelnden Zeit. Ein wenig wohlsortiertere reflektierte Einträge folgen in den nächsten Wochen, wenn ich die Themen ein bisschen reifen lassen konnte.
Jetzt gerade will ich euch einfach nur auf den neusten Stand bringen, da mich aber mein Tablet scheinbar piesacken will und ständig meine Texte nach der Hälfte löscht, will ich mich jetzt gar nicht lang mit der Technik rumärgern, vor allem wenn draußen eine wunderbare frische Luft und Aussicht locken... Ich hoffe, mir wird das verziehen.
Beginnen möchte ich chronologisch mit dem Mittwoch vor zwei Wochen. An diesem Tag konnte ich endlich meine Sachen packen, um erst ein paar Tage in Accra zu verbringen und anschließend mit Magda nach Nkwanta zu fahren.
Hauptpriorität war eigentlich die Beschaffung unseres Visums, was sich ob der mindestens genauso vertrackten bürokratischen Irrwege wie in Deutschland deutlich schwieriger gestaltete als erwartet.
An dieser Stelle vielleicht passenderweise ein paar Anekdoten: Es gibt in Accra zwei Immigration Services. Wir wurden zunächst ins Falsche gebracht und dachten erst, man wolle uns verarschen. Das "Ministerium" bestand aus einem abrissreifen Gebäude, die einzelnen "Büros" aus einem Haufen Schutt und Asche, in die ein paar Stühle und Tische reingequetscht geworden sind, auf denen fein herausgeputzte Mitarbeiter saßen.
Nachdem wir schleunigst zum Hauptoffice gefahren sind, haben wir nach einigem Gesuche tatsächlich in einem winzigen Container im Hinterhof für 120 Dollar unsere Non-Citizen-Card bekommen, eine neue Regelung, die unser Meinung nach hauptsächlich dazu dient, einem das Geld aus der Tasche zu ziehen...
Mit dieser Karte haben Magda und ich dann versucht ein paar Tage später unser neues Visum zu beantragen. Nachdem wir von Büro zu Büro geschickt wurden, landeten wir schließlich in einem komplett anderen Ministerium, wo man aber auch nicht wirklich etwas mit uns anzufangen wusste. Schließlich hingen wir komplett demotiviert und erschöpft auf deren Couch, und haben von den sehr netten Mitarbeitern immerhin Kekse und Cola geschenkt bekommen... und uns gefühlt wie bemitleidenswerte illegale Einwanderer.
Am nächsten Tag also alles von vorne, wieder ein paar erfolglose Herumwanderungen, Wartereien und "Gespräche" mit unfreundlichen Angestellten später, haben wir immerhin ein Formular zur Beantragung einer Arbeitserlaubnis ausgehändigt bekommen, mit dem wir dann zurück nach Nkwanta fahren sollten, um dort doch bitte ein paar Anhänge zu besorgen.
Wie dem auch sei, wir werden dann also nächste Woche wieder nach Accra fahren, um diese Erlaubnis zu beantragen, in der Hoffnung anderthalb Monate später nach Zurückerhalt endlich unser Visum verlängern zu können...
Nichtsdestotrotz haben wir in Accra eine sehr schöne Woche verbracht. Haben bei zwei netten anderen Freiwilligen gewohnt, gekocht, einen Geburtstag gefeiert, zwei Tage am Strand verbracht, ein spontanes Techno-Open-Air in einem Beachresort veranstaltet, auf dem Makola Market ein wahres Stoffeparadies entdeckt, dort viele nette Leute getroffen und im "Szeneviertel" Osu doch tatsächlich eine kleine matschige Brezel gegessen.
Am Mittwoch vor einer Woche ging es dann endlich nach Nkwanta. Und seitdem vergeht die Zeit rasend schnell, während ich gleichzeitig das Gefühl habe, schon ewig hier zu leben, einfach weil ich mich so wohl und heimisch fühle. Wir wollen hier auch eigentlich gar nie wieder weg, weil wir uns ein bisschen vorkommen wie eine kleine Familie, die sich ihr Zuhause aufbaut.
Tatsächlich sind wir gerade ganz viel damit beschäftigt, unser Haus wohnlich zu machen, nach der Devise: Maximale Improvisation, minimale Kosten. Ein paar Anschaffungen gehören natürlich trotzdem dazu, so haben wir uns zum Beispiel einen Kühlschrank zugelegt, der mitsamt uns laut polternd auf einem Motorrad mit Anhänger zu unserem Haus transportiert wurde.
Des Weiteren haben wir Draht, Werkzeug, Blechschalen und Holz besorgt, woraus wir uns einen Hühnerstall und eine Draußenkochstelle basteln werden.
Momentan wohne ich noch in Magdas Zimmer, weil wir dabei sind Meines zu renovieren. In einer lustigen Aktion haben wir die Wände gestrichen, wobei wir auch selbst ziemlich farbenfroh geendet haben. Da Ölfarbe leider die unpraktische Eigenschaft besitzt, nicht wasserlöslich zu sein, mussten wir also komplett verdreckt zur nächsten Tankstelle fahren, um Benzin zu besorgen. Der Tankwart war so nett, dass wir sogar seine Dusche verwenden durften, in der wir uns dann das erste und hoffentlich letzte Mal in unserem Leben mit Benzin geduscht haben...
Es hat sich aber wirklich gelohnt, heute haben wir einen neuen Boden mit Holzoptik (die gibt es hier überall zu Spottpreisen) angebracht und ich muss sagen, ich bin sehr zufrieden mit meiner kleinen Stube.
In den nächsten Wochen wollen wir dann noch eine Veranda mit Moskitonetzen umspannen, damit wir abends gemütlich draußen sitzen können, einen Abstellraum in ein buntes Wohnzimmer verwandeln und Hühner besorgen.
Zum Zweimonatigen haben wir uns zwei kleine super süße Hasenbabies zugelegt, die die Namen Bauchinus und Gigantikus tragen.

Nun will ich noch ein wenig von der Schule und unseren Mitmenschen berichten.
Die Arbeit läuft echt total gut an. Die Mädchen sind alle sehr lieb und motiviert. Momentan unterrichten wir vor allem BDT (Basic Design & Technology) und Ghanaian Language (jetzt wundert ihr euch vermutlich, aber es gibt für dieses Fach noch keinen Lehrer und wir machen deshalb Englischunterricht.) In BDT ist das nächste Thema Nähen und wir wollen in Accra ganz viel Stoff kaufen, um die Kinder Sportbeutel nähen zu lassen, die wir ihnen dann mit Kleinigkeiten gefüllt zu Weihnachten schenken. In der ersten Stunde habe ich sie erstmal Namensschilder basteln lassen, da ich zum einen kein Freund davon bin, einfach nur mit dem Finger auf die Mädels zu zeigen, zum anderen denke, dass es immer gut ist, wenn sie sich mal ohne viele Regeln kreativ austoben können. Sie waren auch total begeistert, teilweise wirklich talentiert und haben sich immer super gefreut, wenn man sie lobt. Ich habe sogar ein Iloveleonie bekommen, was ich sehr süß fand. Da ich gemerkt habe, wie sehr den Kindern das Malen gefallen hat und sich für mein eigenes Namensschild interessiert haben, überlege ich jetzt, eine kleine Design-AG anzubieten, wo ich nacheinander verschiedene Themen vorgebe, zu denen ich dann Inspirationsmaterial sammele, sodass sie dazu einfach mal ihre eigenen Ideen ausleben können.
In GL werde ich jetzt mit einer Klasse eine Brieffreundschaft starten. Ich konnte nämlich, meine alte Schule dafür begeistern, eine Art Gemeinschaftsprojekt mit uns zu machen, das heißt, beide Seiten würden erstmal Fotos und Steckbriefe mit den Mädels anfertigen, und dann könnte man sich verschiedene Themen raussuchen, die man gemeinsam erarbeitet, und das Ergebnis der anderen Klasse zuschicken. Zum Beispiel Natur oder Essen. So kann ich den Mädchen hier auch die deutsche Kultur ein bisschen näher bringen und sie dazu anregen, über sich selbst nachzudenken und zusammenzuarbeiten. Ich freue mich jedenfalls sehr, dass das klappt und bin gespannt, wie es wird.
Außerdem werden wir hoffentlich ab nächstem Mittwoch Kreatives Schreiben anbieten, was natürlich genau mein Ding ist, wie ihr ja vermutlich wisst.
Generell sind die Leute hier in Nkwanta wirklich offen und gastfreundlich, finde ich.
Zum Beispiel unsere Nachbarsfamilie, die Mojas. Die haben acht Kinder, die alle in einem Raum ohne Matratze schlafen (das wird vermutlich unser Weihnachtsgeschenk für sie). Die Kinder sind zwar manchmal ein bisschen anstrengend und wuseln ständig um einen rum, aber gleichzeitig auch total lieb und hilfsbereit. Jeden Freitag kochen wir jetzt für sie und gucken Filme und wir wollen bald einen Laternenumzug machen, für den wir erst die Laternen mit ihnen gemeinsam basteln.
Gegenüber von uns wohnt der kleine Desmond, der mich in seiner verschmitzten, beobachtenden Art sehr an meinen kleinen Bruder erinnert und mit dem ich total gerne durch die Sandhügel vor unserem Haus tobe, oder ihn abkitzel.
Generell habe ich das Gefühl, dass es hier nicht so üblich ist, mit Kindern wirklich zu spielen, vermutlich fehlt auch einfach die Zeit. Jedenfalls freue ich mich dann um so mehr, den Kindern auf einfachste Weise etwas "geben" zu können, in dem man zum Beispiel Fange mit ihnen spielt.
Erste gleichaltrige ghanaische Bekanntschaften konnten wir auch schon machen, so waren wir gestern mit Essien abends weg. Er war auch schon mit unseren Vorfreiwilligen befreundet und macht wahrscheinlich mit uns in seinem Auto ein paar Unternehmungen. Mit ihm fahren wir auch nächste Woche nach Accra. Ich freue mich total, mal wie in einem Roadmovie durch Ghana zu fahren, hier und dort anhalten zu können, mit Dorfbewohnern zu quatschen, leckeres Essen am Wegesrand zu kaufen, die Natur zu genießen.
Die Natur hier raubt mir einfach immer wieder den Atem. Wenn ich mich mit dem Fahrrad die rote staubige Straße entlang kämpfe, liebe ich es, ringsum in die Berge zu schauen.
Oder bei Abenddämmerung auf der Veranda abzuwaschen und den Sonnenuntergang zu betrachten.
Mit Magda verstehe ich mich auch saugut, wir verbringen echt total viel Zeit miteinander ohne uns groß auf die Nerven zu gehen, einfach weil wir total gut nebeneinander herleben können, gammeln, Hörbuch hören, futtern, lachen, reden, träumen.
Ich glaube der Grund, warum ich hier fast so glücklich bin wie noch nie, ist ein sehr einfacher. Ich mache viel weniger große Dinge, an denen viele Erwartungen hängen, dafür bin ich ständig in Bewegung, erledige kleine Handgriffe, bekomme ein Lächeln von jedem Menschen, schenke jedem eins zurück.
Ich fühle mich ein bisschen so, als hätte ich jahrelang kopfüber gelebt, und würde nun plötzlich wieder richtig rum hingestellt. Das ist ungewohnt, und nach und nach fällt mir auf, wie viel angenehmener und natürlicher es doch eigentlich ist.
Es ist schwer, alles zu erzählen und auszudrücken, was ich denke und erlebe, aber darum geht es ja auch eigentlich nicht. Viel wichtiger ist, dass ihr wisst, dass ich euch nicht vergesse und oft an euch denke im Alltag, wenn auch vielleicht langsam nicht mehr so oft wie am Anfang.

Ich schicke euch tausend liebe Umarmungen,
Eure Léonie